Unterwegs in Guatemala
Indianermarkt in Chichicastenango
Märkte spielen seit ältesten Zeiten eine zentrale Rolle im wirtschaftlichen und kulturellen Leben. An den Markttagen verwandeln sich verschlafene Dörfer und Kleinstädte noch heute in Zentren, die von tausenden Menschen aus umliegenden Ortschaften aufgesucht werden. Dabei liegt es tief im Dunkel der Geschichte begründet, warum bestimmte, scheinbar unbedeutende Orte noch heute als zentrale Märkte fungieren, andere hingegen nicht. Ein markantes Beispiel hierfür ist der kleine
Ort Chichicastenango, auf über 2.000 m Höhe im guatemaltekischen Hochland
gelegen. Hier leben vielleicht 6.000 Menschen, die meisten Ladinos. |
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Wo kein Markt stattfindet, sind die Straßen und Gassen leer. | Blick in die Umgebung. |
Auf der Plattform eines alten Tempels errichteten
die Spanier 1540 die Kirche Santo Tomás, die im 18. Jahrhundert erneuert wurde.
Die Treppen, die zur Kirche hochführen, sind noch als vorspanisch erkennbar. An
den Markttagen wird hier wie in ältesten Tagen Kopal-Harz verbrannt, dessen
Rauchschwaden den Haupteingang der Kirche verhüllen. Eine mystische Szene, die
die Verknüpfungen zwischen längst versunkenen Traditionen und dem katholischen
Glauben erahnen lässt. |
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Altes
Foto: Kirche Santo Tomás um 1950 ![]() Altes Foto: Auf den Stufen vor der Kirche Santo Tomás, 1950. |
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Altes
Foto: Kirche Santo Tomás um 1955 |
Der verschlafenen Ort verwandelt sich donnerstags
und sonntags in ein buntes Markttreiben. Schon am Abend vorher bauen die
Händler ihre Stände auf. Vor allem Frauen sind es, die dann von allen Seiten
auf den Markt strömen: Dicke Packen auf dem Rücken oder Kopf und mitunter
kleine Schweinchen an der Hand, die mit um den Bauch gebundenen Stricken
aufgeregt dem Markt zustreben. |
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Man
geht zu Fuß zum Markt ...![]() ... oder man fährt mit einem der zahlreichen ehemaligen USA-Schulbusse. |
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In
den Straßen von Chichi geht es eng zu. |
Die engen Straßen des Ortes werden von
Lieferwagen, auf die hierzulande jedes Automobilmuseum stolz wäre, und den
farbenfroh bemalten Bussen, den Hauptverkehrsmitteln in Guatemala, verstopft.
Riesige Pakete sind auf den Dächern der Busse festgezurrt. Schätzungsweise
1.000 Händler und ein Mehrfaches an Einkäufern und Besuchern kommen an den Markttagen nach Chichi. |
Vor der Kirche Santo
Tomás wird Kopal-Harz verbrannt.
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In langen Reihen sind die Stände aufgebaut, manche überdacht, viele mit Plastikplanen gegen Regen und Sonne geschützt. Praktisch alles, was irgend wo in Guatemala produziert wird, findet sich hier im Angebot. Dabei nehmen landwirtschaftliche Produkte wie Getreide, Früchte und Fleisch einen nur geringen teil des Marktes ein. Zahlreiche Stände bieten handwerkliche Erzeugnisse an, insbesondere Webarbeiten wie Decken und Kleidungsstücke mit schönen Stickereien. Keramiken und Holzschnitzereien sind zu erwähnen, und vieles mehr. |
Markttreiben.
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Auffällig ist die Ruhe auf dem Markt. Fern jeder Marktschreierei werden die Produkte leise, fast flüsternd und mehr mit Gesten als mit Worten angepriesen. Übrigens ist der Besuch des Marktes erst seit einigen Jahren gefahrlos möglich. Noch in den 1980er Jahren war die Region Schauplatz von Guerillaaktionen und insbesondere von gewalttätigen Repressalien der damaligen Militärregierung Guatemalas gegen die ansässige Indianerbevölkerung, die der (wohl nicht ganz unberechtigten) Sympathie und Unterstützung für die Rebellen bezichtigt wurden.
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Fotos und Text: R. Oeser (1999)
Bei einem späteren Besuch im Jahr 2012 hatte sich kaum etwas geändert.